Ich glaub mich hackt der Storch

In der "Blechtrommel" wurde das Kind noch unpathetisch auf dem Acker entbunden. So einfach kommt Mann in unserer modernen Welt nicht mehr davon...


Als verantwortungsbewusste zukünftige Eltern mussten wir uns natürlich in einem Kurs auf das Abenteuer Geburt vorbereiten lassen. Denn unsere Unwissenheit und das damit verbundene mangelnde Vorstellungsvermögen verlangten nach einer professionellen Einarbeitung in diese Problematik. Aus diesem Grunde begaben wir uns in die Hände der erfahrendsten Hebamme unserer Landeshauptstadt.
Das Gebärerlebnis wurde uns in mehreren Abendveranstaltungen näher gebracht. Mit anderen schwangeren Paaren versammelten wir uns unter Anleitung, um auf großen Bällen zu hüpfen und vor allem, um uns partnerschaftlich zu entspannen. Doch gerade dieses Ansinnen stellte ganz neue Anforderungen an unsere weltlichen Gemühter.
Die erste Veranstaltung begann mit der Besetzung der bequemen Sitzkissen, alles ganz nett. Dann folgte die ausufernde Vorstellung der Hebamme, die bereits circa eine Milliarde Kleinstmenschen gebären half. Die Erwähnung dieses Umstandes wiederholte sich denn auch bei allen weiteren Treffen.
Danach mussten sich die anwesenden Paare vorstellen. Name, Alter, Beruf und vorherige Geburten wurden ausgewertet, alles war so herzlich verbindlich und mir total zu wider. Es gibt für mich nichts schlimmeres, als vertrauliche Sitzgruppengespräche, alle per du, alle aufgeschlossen und bla, bla. Frauen können sich in solchen Gesellschaften ja gewöhnlich mit Hingabe ergehen und auch die anderen anwesenden Besucher schienen sich nicht sonderlich gestört zu fühlen.
Also massierten wir uns um die Wette, atmeten und hechelten wie kettenrauchende Asthmatiker oder lagen einfach nur so rum. Zum Beispiel bildeten wir einen Entspannungskreis, die hoffnungsfrohen Väter hinter den Schwangeren, und die Hebamme ließ ein esoterisches Gedudel erklingen, angeführt von Meeresrauschen und begleitet von einem wegweisenden Monolog der Veranstalterin. Dieser verhieß uns einen Spaziergang am Strand und das Eintauchen in innerkörperliche Empfindungen. Wir spürten angeblich etliche Körperteile, Wärmeströme und so ein Zeug. Es begann am Kopf, setzte sich über Arme und Beine fort und endete mit unseren Muttermündern(?). An der Stelle konnten wir uns das Lachen nur schwerlich verkneifen. Nach circa zwanzig Minuten durften wir uns aus der inneren Verkrampfung lösen. Einige waren hingegen so entspannt, das sie eingeschlafen waren. Langsam erwachten sie. Die Zauberamme fragte uns dann nach unseren Erlebnissen. Alle waren total beeindruckt von der Reise in ihren Körper. Nur unsere kleine zukünftige Familie gab offen zu, wir wären nicht für so etwas.
Ich glaube, die Reiseleiterin war darüber ein wenig enttäuscht. Aber was soll's.
Ein Besuch der Schwangerenstation der Uni-Frauenklinik gestaltete sich ebenfalls anstrengend. Unsere Hebamme veranstaltete ein großes Hallo! und ging dem anwesenden Personal damit ganz schön auf den Kranz. Der Höhepunkt war die aufdringliche Besichtigung eines Patientinnenzimmers, was den Klinik-Ammen wohl etwas zu weit ging. Denn die arme schwangere Bewohnerin wurde gleich in die Erläuterungen mit eingebaut.
Nachdem wir im Kreissaal probegeboren hatten, bekamen wir noch ein Werbegeschenk inklusive einer tollen Entspannungs-CD, die so unendlich belanglose Musik enthielt, das dabei selbst in der Schlüpferabteilung von Karstadt vor lauter Langeweile das Licht ausgegangen wäre. Der krönende Abschluss der Fortbildungsmaßnahme war ein Gebärvideo. Alle Teilnehmer saßen, eng zusammengecoucht um einen kleinen Fernseher herum. Als medizinisches Personal hat man ja schon einiges gesehen, aber diese Aufnahmen, bezogen auf die eigene Partnerin, waren nun wirklich nicht schön.
Ich denke, als Mann muss man nicht unbedingt sehen, was im Gebärfall zwischen den Beinen der Gattin abläuft. Es sollte genügen, am Kopfende zu stehen, ihr das schweißige Haar aus den Augen zu streichen, sie an ihre aussetzende Atmung zu erinnern und dumm aus der Wäsche zu gucken.
Die Unterleibsbeschau aus allen Perspektiven fand ich jedenfalls unnötig. Zum Finale gab es einen extra Kameraschwenk auf die ausgebreitete Plazenta (die Muttertorte). An der Stelle bemerkte ich, nie wieder lose Wurst essen zu wollen. Es soll ja Leute geben, die sich aus Glaubensgründen den Kram in die Soljanka rühren oder das Ganze verbuddeln und darauf einen Baum pflanzen. Uns genügt es, den Nachwuchs mit nach Hause zu nehmen. Den Biomüll können die getrost behalten, um daraus Eutersalbe, oder was weiß ich, herstellen zu lassen.
Im Großen und Ganzen ist der Sohn auch ohne Räucherstäbchen ordentlich auf die Welt gekommen. Die wunderliche Hebamme besuchte uns noch zur Nabelschau und Nachbetreuung und war ja dann doch eine ganz nette. Die nächsten Kinder werden aber ohne vorherigen Kurs geboren werden müssen. Ich gehe da jedenfalls nicht noch mal mit hin! (HO)