Auf dem Männerpissoir...

…werden manche Träume wahr." (Bob der Baumeister)


Tja, liebe Freunde der Feinmechanik! Unsere einzige Herrentoilette am Arbeitsplatz ist aus emanzipatorischen und dienstkleidungstechnischen Gründen leider ein Ort für Weicheier und Sitzpisser. Im stehen geht gar nicht. Man muss also grundsätzlich für das kleine Geschäft mehr Zeit aufbringen, als anatomisch und entwicklungsphysiologisch notwendig wäre.
Deshalb ist auf eine angenehme und unterhaltsame Gestaltung des Kabinetts der Erleichterung besonders viel Wert zu legen. Ein befreundetes Schichtbrot verschönert traditionell unsere kleine Kammer mit dem albernen Kalender vom Billigchinesen in der Parallelstraße, der seit Jahren unter besonderer gesundheitsamtlicher Beobachtung steht und aus unserem Kostplan deshalb längst ausgegliedert worden ist. Doch veranschaulicht dieses pittoreske Schmuckstück mir und den lieben Kollegen bei jeder Miktion, dass ich angeblich im Jahr der Ratte geboren wurde. Scheiß Naturvölker. Heidnisches, unzivilisiertes Pack. Das geht keinen was an.
Ebenso unglücklich verläuft der Dekorationsversuch daneben. Irgendein Trottel hat nämlich den Tittenkalender bereits im Vorjahr bis November zerpflückt, weil er sich mit Jahreszahlen nicht auskennt oder in seiner Freizeit gerne mal in die Zukunft sehen möchte. Nicht, das mir Tittenkalender besonders am Herzen liegen. Aber so geht es doch nun wirklich nicht!
Und das war es dann auch schon mit der Gemütlichkeit. Dringend muss ein neuer Wind geweht werden. Wir haben der trostlosen Einöde den Kampf angesagt. Bildung, Kultur und Fortschritt für unseren intimsten Bereich, bevor er zu einer klaustrophobischen Abstellkammer verkommt. Schaffenskraft tut Not. Die Zeit bleibt nicht stehen.
Denn in naher Zukunft muss für die Abwicklung des Harndranges gerade von unseren älteren Mitarbeitern deutlich mehr Zeit eingeplant werden. Schlanker wird die olle Prostata nicht mehr, soviel ist mal sicher, meine Herren! Und wann einer der maskulinen Hypertoniker seine erste Wassertablette einzunehmen gezwungen ist, bleibt ebenfalls abzuwarten. Dann wird es eng auf der Schüssel. Und dazu diese Ungemütlichkeit.
Zuerst sollten wir den China- und den Tittenkalender rausschmeißen. Gemusterte Tapeten müssen vielleicht nicht unbedingt sein und auch auf einen fluoreszierenden Klodeckel könnte man vermutlich verzichten. Die Wände streichen wir lieber in fröhlichen Erdtönen, das beruhigt und lässt Platz für die Konzentration auf das Wesentliche. Auch gegen einen Spiegel mit fürstlich-edelhölzernem Rahmen hätte ich nichts einzuwenden.
An der westlichen Wand könnte ich mir eine große Weltkarte vorstellen, gerne auch mit politischer Gliederung. Darunter steht ein mittelgroßes Bücherregal aus Tropenholz, bestückt mit erlesenen Publikationen - Weltliteratur für gereifte Literaten, philosophische Werke für die jüngeren Kollegen und ein paar anzügliche Comics für befristete Praktikanten.
Gegenüber der sanitären Einrichtung postieren wir ein gründerzeitliches Rauchertischchen als Anrichte für das WC-Gästebuch und unseren Knabberteller, gefüllt mit Pistazien und Salzstangen für die nächste Norovirusepedemie. Dazu noch einen güldenen dimmbaren Deckenfluter mit Leseleuchte. Unser prosperierendes Unternehmen wird sicher den einen oder anderen Euro locker machen können – so kurz vor der Inflation.
Für die Organisation der Umbaumaßnamen schlage ich die Bildung eines Komitees bzw. eines Ältestenrates vor, bestehend aus den ältesten gewählten männlichen Mitarbeitern. Innerhalb dieses Gremiums sind folgende Aufgabengebiete zu vergeben:
Der Alterspräsident ergibt sich von selbst. Er übernimmt die Leitung der Komiteesitzungen in ausgewählten gastronomischen Einrichtungen im Einzugsgebiet. Termine stimmt er mit der Abteilungsleitung ab, reserviert Tisch und Stühle und ggf. billige Flittchen.
Unterstützt wird er vom Ratsmitglied für Öffentlichkeitsarbeit. Hierfür bietet sich der Kollege mit dem größten Fachwortschatz an. Er unterhält den Kontakt zum Kollektiv sowie zu Funk und Fernsehen und gibt den wöchentlichen Newsletter heraus.
Mich selbst möchte ich für den Posten des Kassenwartes empfehlen. Ich verfüge über langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet, war bereits in gesellschaftlichen Organisationen und im Freundeskreis mit der Verwaltung der finanziellen Mittel beschäftigt und (fast) nie wurde sich über meine Tätigkeit beschwert. Außerdem bin ich von allen Ratsmitgliedern am geizigsten und deshalb ein Garant für stabile Beiträge und ausgeglichene Plusbilanzen. Auch für den Aufbau der Klobibliothek bin ich höchst geeignet. Ich nenne privat sehr viele dicke Bücher mein eigen und habe sogar schon einige davon gelesen. Eine Literaturliste für unser Vorhaben kann ich innerhalb weniger Minuten erarbeiten.
Für unsere jungen Kollegen, die dem Weisenrat noch nicht angehören können, die aber dennoch am Prozess der Entwicklung teilhaben wollen, scheint mir die Betreuung einer Wandzeitung zu tagespolitischen Themen am geeignetsten. Sie könnte an der Außenseite unserer Klotür befestigt werden und so auch den Mitarbeitern aus anderen Bereichen (Damentoilette) zur Verfügung stehen. Für das nächste Quartal möchte ich vorsorglich folgende Themen anregen:
- Der Atomausstieg und die Energiekrise
- Die Demokratiebewegungen in Nordafrika, Kleinasien und am Arsch der Welt
- Der diabetische Fuß im Wandel der Jahreszeiten
- Die Toskana des Ostens – Mythos oder Marketing?
Die Umbaumaßnahmen könnten von einer kleinen Feierstunde abgeschlossen werden. Wir reichen uns und den geladenen Gästen Kurzgebratenes, Schnittchen, Gebäck, Kaffee, Tee, kohlensäurehaltige Kaltgetränke und Taschentücher. Irgendjemand hält eine kurze, aber sehr ergreifende Rede. Vielleicht spielt eine Band. Das wird bestimmt ganz schön werden.
Ich sehe dieses Pamphlet als Diskussionsgrundlage und fordere alle Mitstreiter zu eigenen Vorschlägen auf. Möge die neue Aufgabe unseren Geist stärken, das Kollektiv festigen und der Notdurft einen erquickenden Beigeschmack verleihen.
Mit freundlichen Grüßen. (HO)